Der Leitzins hat keinen direkten, unmittelbaren Einfluss auf die Baufinanzierungszinsen
Der Leitzins beeinflusst die Bauzinsen nicht direkt, im Gegenteil: Meist eilen die Bauzinsen ihm sogar in der Entwicklung voraus. Lesen Sie hier, warum das so ist.

Markt preist Änderungen am Leitzins vorab ein
In den meisten Fällen kündigt die EZB Änderungen am Leitzins lange im Voraus an. Sowohl der Geldmarkt als auch der Kapitalmarkt stellen sich dann bereits auf die kommende Änderung ein, bevor diese überhaupt in Kraft tritt. Soll der EZB Leitzins gesenkt werden, fangen die Baufinanzierungszinsen schon vorher an zu sinken, ebenso die Tagesgeld- und Festgeldzinsen. Ist die Änderung, in diesem Fall eine Leitzinssenkung, dann vollzogen, verhalten sich die beiden Märkte aber sehr unterschiedlich:
Die kurzfristig verzinsten Anlagen am Geldmarkt reagieren sofort noch mal stärker darauf und fallen ab. Der Grund: Weil die Banken plötzlich selbst günstiger Geld bekommen, können sie den Vorteil schnell an den Kunden weitergeben - die Kreditzinsen für kleinere Privatkredite sinken. Gleichzeitig haben die Banken weniger Interesse daran, ihre Refinanzierung über Spareinlagen zu generieren, weil das im Vergleich zum Weg über die Kredite nun weniger rentabel ist. Also senken sie unter anderem die Tagesgeldzinsen, um den Kundenzustrom zu drosseln. Das tun sie nach Leitzinssenkungen meist recht zügig, und so kommt die unmittelbare Reaktion zustande.
Dagegen behalten die langfristig verzinsten Anlagen wie Pfandbriefe am Kapitalmarkt nach der Leitzinssenkung einfach nur ihren ohnehin schon eingeschlagenen Weg bei, ebenso die Bauzinsen: Sie zeigen dann keine abrupte Reaktion mehr, weil es hier für die Akteure keinen akuten Handlungsbedarf gibt.
Bauzinsen meist schneller als Leitzins
Legt man einmal die Bauzinsenkurve mit der Leitzinskurve auf eine gemeinsame Zeitachse, dann lässt sich gut erkennen: In ihrer Grundtendenz entwickeln sich der Leitzins und die Baufinanzierungszinsen zwar ähnlich, aber die Baufinanzierungszinsen eilen voraus:

Wie Bauzinsen und Leitzins interagieren können
Die beiden Linien zeigen es: Wenn eine Kettenreaktion zwischen Leitzins und Baufinanzierungszinsen zustande kommt, dann setzt sie sich bereits zum Zeitpunkt der Vorankündigung der EZB in Bewegung, und nicht erst, wenn die Änderung eintritt. Davon abgesehen kann es vorkommen, dass die Ankündigung einer Leitzinsänderung bei den Baufinanzierungszinsen eine entgegen gesetzte Reaktion auslöst. Das lässt sich zum Beispiel in der Grafik am Zeitabschnitt von Juni 2007 bis Juli 2008 gut ablesen. Hier touchieren sich die beiden Linien: Während der Leitzins konstant geblieben ist, aber eine Erhöhung absehbar war, sind die Bauzinsen gleichzeitig um 0,75 Prozentpunkte abgesackt und erst kurz vor der Leitzinserhöhung angestiegen.
Wie ist das möglich? Um im Bild zu bleiben: Am einen Ende der Kette steht der EZB Leitzins, am anderen die Baufinanzierungszinsen, und dazwischen befinden sich viele Glieder. Auf das Zustandekommen einer Verbindung dieser Glieder wirkt allerdings eine ganze Reihe von Nebenfaktoren ein.
Einer davon ist beispielsweise die allgemeine Wirtschaftslage: Je besser Banken dastehen, desto härter ist der Wettbewerb, desto größer der Preiskampf bei Baufinanzierungen. Ein solcher Nebenfaktor kann im oben genannten Zeitabschnitt dafür gesorgt haben, dass die Bauzinsen weiter gesunken sind, obwohl eine Leitzinserhöhung angekündigt war.
Im Normalfall eilen die Baufinanzierungszinsen dem EZB Leitzins voraus: Soll er ansteigen, steigen sie schon vorher, soll er sinken, fallen sie schon vorher ab. In anderen Fällen reagieren sie gar nicht auf die Ankündigung oder anders als erwartet.
An den folgenden, möglichen Beispielszenarien wollen wir die möglichen Reaktionen noch einmal genauer verdeutlichen.
Möglichkeit 1: Leitzins und Baufinanzierungszinsen steigen oder sinken im Gleichschritt
Sinkt der Leitzins, sinken auch sofort die Zinsen am Geldmarkt – das ist gesetzt. Tagesgelder und Festgelder sind dann eher unattraktiv für Sparer und Anleger. Es setzen sich Bewegungen in Gang, weil die Anleger nun nach Ausweichmöglichkeiten suchen. Eine mögliche Lösung kann es für sie sein, sich aus Termingeldern zurückzuziehen und zu langfristig laufenden Anleihen zu tendieren, die in solchen Niedrigzinszeiten immerhin geringfügig bessere Zinsen bei ebenso hoher Sicherheit bieten.
Die Nachfrage nach Anleihen steigt in diesem Fall also, ihr Kurs ebenfalls, wodurch ihre Rendite sinkt, gemäß Angebot-Nachfrage-Prinzip. Dasselbe gilt dann eben auch für Staatsanleihen. Die wiederum ziehen die Pfandbriefe mit sich: Der Pfandbriefkurs steigt, die Rendite sinkt und damit auch die Zinsen. Im Gleichschritt sinken die Baufinanzierungszinsen, und dadurch wird deutlich: In diesem Szenario zieht die Leitzinssenkung eine Senkung der Baufinanzierungszinsen nach sich, wenn eine Vielzahl von Anlegern sich für den Lösungsweg „Anleihen“ entscheidet.
Dasselbe kann auch umgekehrt passieren: Steigt der EZB Leitzins, steigen die Geldmarktzinsen, Tagesgelder und Festgelder werden attraktiver. Falls viele Anleger abwandern, sinkt bei Anleihen die Nachfrage, ihr Kurs sinkt, Zinsen und Rendite der Anleihen steigen wieder, und die Baufinanzierungszinsen steigen.
Möglichkeit 2: Leitzins und Baufinanzierungszinsen entwickeln sich entgegengesetzt
Genauso kann aber folgendes Szenario entstehen: Die EZB hebt den Leitzins an, die Tagesgeldzinsen steigen, Tagesgeld wird also attraktiver. Angenommen, die Wirtschaftspolitik in Europa wäre aber aktuell zum Beispiel durch die Griechenlandkrise in schwierigen Fahrwassern unterwegs, und die Anleger neigten deshalb weiterhin verstärkt zu sicheren Anlagen, statt höheren Renditen nachzujagen. Dann würden sie in sicheren Anleihen verweilen und nicht zum rentableren Tagesgeld wechseln. Auf diese Weise kann es passieren, dass der Leitzins steigt, aber die Baufinanzierungszinsen entgegen aller Erwartungen sinken, weil die Nachfrage nach Anleihen gleichbleibend anzieht.
Möglichkeit 3: Bauzinsen bewegen sich, Leitzins stagniert
Ein Blick auf die oben stehenden Zinskurven zeigt, dass die Baufinanzierungszinsen sich in kürzester Zeit rapide verändern können, obwohl der Leitzins seit geraumer Zeit stagniert. Dies war zuletzt im Frühjahr 2015 der Fall: Zwischen Mai und Juli 2015 sind sie innerhalb weniger Wochen um etwa 0,5 Prozentpunkte angestiegen. Es war keine Leitzinsänderung vorausgegangen, und es wurde im Vorfeld auch keine angekündigt.
Ausgelöst hatte den sehr plötzlich gekommenen Anstieg vermutlich der amerikanische Starinvestor Bill Gross, der per Twitter äußerte, die deutschen Staatsanleihen seien im Prinzip überbewertet. Offenbar brachte das viele Anleger dazu, sich vermehrt daraus zurückzuziehen, die Kurse sanken abrupt, die Zinsen der Staatsanleihen und die Zinsen der Baufinanzierungen stiegen an. Man kann zwar nicht mit hundertpozentiger Sicherheit sagen, dass Gross' Aussage der Auslöser für die Abwanderung war, es gilt aber als sehr wahrscheinlich. Fest steht: Der Leitzins hatte in diesem Fall rein gar nichts mit dem plötzlichen Zinsanstieg bei den Baufinanzierungszinsen zu tun.
- Einleitung: Der EZB-Leitzins und die Bauzinsen
- Die Refinanzierung von Baufinanzierungen über Pfandbriefe
- Pfandbriefe orientieren sich an Staatsanleihen
- Der EZB Leitzins hat keinen direkten Einfluss auf die Baufinanzierungszinsen
Fazit: Der Einfluss des Leitzinses auf Baufinanzierungen ist nicht immer eindeutig zu prognostizieren
Der Leitzins und die Baufinanzierungszinsen entwickeln sich meist in ähnliche Richtungen, wobei die Bauzinsen meist schneller sind. Eine Änderung am Leitzins – oder auch die Ankündigung einer Änderung – löst aber keinesfalls automatisch eine Reaktion der Baufinanzierungszinsen aus. Dazu sind die weiteren Einflussfaktoren zu vielfältig, und sie können dermaßen ins Gewicht fallen, dass eine eindeutige Kettenreaktion manchmal gar nicht zustande kommt.